2002 story of team YZ  


Euroglide 2002 story of team YZ

Euroglide 2002

Meisterschaft der Superlative
Oder: 2200 km durch 5 Länder im Segelflugzeug in 6 Tagen

Vorbereitung
By Winfried Küter

Anfang des Jahres fand ich im Internet die Ausschreibung für Euroglide 2002, eine für mich bisher unbekannte Art einer Meisterschaft: Der Wandersegelflug. Schnell wurde mir klar, dass dies die für mich sicherlich aufregendste Art einer Meisterschaft ist, sofort meldete ich mich an. Daß der organisatorische Aufwand auch für die Teilnehmer enorm sein würde, war mir von Anfang an bewußt. Das erste (jedoch schnell zu bewältigende) organisatorische Hindernis ist die Überwesung der 150 Euro Meldegebühr ins Ausland. Folgende Aufgaben stellten sich für meine Vorbereitung:
1. Fertigstellung des Ausbaus meines Wohnmobils (jeden Tag bei jedem Wetter ein Zelt aufbauen kommt nicht in Frage).
2. Selbststudium und Prüfung zur Erlangung des englischen Funksprechzeugnisses BZF1
3. Chartern eines geeigneten Flugzeugs (unsere ASW19 wurde vom Verein gerade veräußert, in unserer DG300 bekomme ich nach 2-3 Stunden Krämpfe in den Füßen)
4. Suche eines zweiten Piloten oder Rückholers
5. Besorgung des erforderlichen Kartenmaterials
6. Information über Auslandsflüge (Verfahren, Luftraumstrukturen, etc.)

Da zwei Vereinskollegen zufällig gerade für das BZF1 lernten (sie hatten jedoch einige Monate Vorsprung) konnte ich mich gleich dazu gesellen. Mit Unterstützung meiner Freundin Katja (Vokabeltraining) und eines Berufspiloten (Sprechtraining) aus unserem Nachbarverein klappte die Prüfung nach knapp zwei Monaten auf Anhieb.

Da jemand aus einem Nachbarverein mit einer ASW19 bei uns auf dem Platz gewesen war, wusste ich von der Existenz des Flugzeugs (mein absolutes Lieblingsflugzeug). Er stellte mir seine ASW19 bereitwillig gegen einen Obolus und einige Arbeitsstunden zur Verfügung. Ein ehemaliges Mitglied unseres Vereins (jetzt bei der Akaflieg Braunschweig) war zwar interessiert, als zweiter Pilot mit teilzunehmen, entschied sich dann jedoch für die Juniorenmeisterschaft. Aber unser Vereinsrentner Werner war mit Interesse dabei. Da er gerne mitfliegt, selbst jedoch weder schult noch einen Flugschein besitzt, ist die Aufgabenverteilung eindeutig: Ich werde immer fliegen und er wird immer fahren (der Arme!).
 
Das Kartenmaterial ist zwar recht teuer aber dafür bekam ich 4 Tage vor der Abreise die neuesten Ausgaben aller ICAO-Karten (die ausländischen Karten werden nicht jährlich aktualisiert). Zufällig entdeckte ich das vom Landesverband angebotene Seminar Planung und Durchführung von Langstreckenflügen ins Ausland. Es war sehr interessant, ich war als Segelflieger aber natürlich völlig alleine unter den Ganzen Motorfliegern. Resümee: Ein Lob auf die deutsche Luftraumstruktur!!!

Tja, der Wohnmobilausbau raubte mir den letzten Nerv und jede freie Minute. Vor der Meisterschaft sah mein Tagesverlauf dann so aus: 7Uhr Arbeitsbeginn, 17Uhr Arbeitsende, nach Hause, Essen, Umziehen, bis 23Uhr am Wohnmobil arbeiten und schnell ins Bett. Jeden Tag wieder (und am Wochenende natürlich von morgens bis abends am Wohnmobil arbeiten). Etwa eine Woche vor der Abreise bekam ich dann die Zulassung vom TÜV, nun noch schnell in die Werkstatt bringen (neue Frontscheibe, Zahnriemen- und Ölwechsel).

Dadurch hatte ich dann bis zur Abreise dieses Jahr erst 4 Segelflugstarts. Man gut, dass die ASW19 eine Bugkupplung für den F-Schlepp besitzt, sonst wäre das für mich auch noch ein Problem geworden (zur Erinnerung: bei F-Schlepp an der Schwerpunktkupplung sind 5 F-Schlepps in den letzten 90 Tagen Voraussetzung). Ein Glück, daß die Veranstaltung aufgrund der groß angelegten Militärübung Clean Hunter im betreffenden Luftraum um zwei Wochen nach hinten verschoben werden musste. Auch vom Wetter her war dies sicherlich überaus glücklich getroffen.
Ausschreibung
Der Wettbewerb geht folgendermaßen vonstatten: Die 29 Teilnehmer sind in zwei Klassen eingeteilt: 18 Segelflugzeuge und 11 Motorsegler. Gestartet wird im F-Schlepp bzw. Eigenstart in Eindhoven. Von dort aus ist jeder Teilnehmer auf sich gestellt und hat die vorgegebene Strecke irgendwie in maximal 14 Tagen zu umrunden. Die Richtung der Strecke (links oder rechts herum) wird erst am ersten Wertungstag (wetterabhängig) angegeben. Es musste auch ein Wendepunkt und der Zielort kurzfristig leicht verlegt werden.

Die Strecke ist folgendermaßen festgelegt:
Start/Abflug: Eindhoven (NL)
1. Wende: Dahlemer Binz (D) Grenze Belgien - Detuschland
2. Wende: Romorantin (F) ca. 180km südlich Paris
3. Wende: Lachen Speyerdorf (D) Ecke Deutschland - Luxemburg - Frankreich
4. Wende: Klippeneck (D) ca. 40km nordwestlich des Bodensees
5. Wende: Cham Janahof (D) östlich Regensburg an der tschechischen Grenze
6. Wende: Oerlinghausen (D) bei Bielefeld
Ziel: Venlo (NL)
 
Generell ist die Startart beliebig, im F-Schlepp muß in 5km Umkreis des Startflugplatzes in max. 600m über Startplatz ausgeklinkt werden. Die Mindeststrecke pro Wettbewerbsflug ist auf 30km (Segelflug) bzw. 50km (Motorsegler) festgelegt, kürzere Flüge werden nicht gewertet.

Zwischen jedem Wettbewerbsflug darf eine Strecke von max. 100km (Luftlinie) mit dem Flugzeug im Anhänger oder im F-Schlepp zurückgelegt werden. Für den gesamten Wettbewerb bekommt jedes Team einen Kredit von insgesamt 300km, bei Start oder Landung von/auf der Wasserkuppe (dem Berg der Segelflieger) kommen einmalig 50km hinzu.

Verringert sich die Entfernung zum nächsten Wendepunkt beim Anhängertransport bzw. F-Schlepp, so wird diese Differenz von dem Kredit abgezogen. Es können auch je 20km Kredit für 500m mehr Schlepphöhe ausgegeben werden. Motorsegler haben noch einige Zusatzregeln. Alles andere muß von dem Teams selbst organisiert werden.
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Tag 0: Start ins Ungewisse
Abfahrt um 9Uhr in Hameln, Ankunft am frühen Nachmittag in Eindhoven, wir werden sofort herzlich aufgenommen.


Gemäß den neuesten Informationen tragen wir den Kurs in unsere Karten ein (Werner’s Straßenkarten und meine ICAO-Karten). Als äußerst hilfreich hat sich eine Kilometer-Angabe am Kurs bis zum nächsten Wendepunkt herausgestellt. Damit kann der Pilot dem Rückholer mit wenigen Worten seine Position oder seinen voraussichtlichen Landeort mitteilen.

20Uhr ist Eröffnungsbriefing. Es gibt nur 3 neue Teams, die erstmalig an dieser Meisterschaft teilnehmen. Wir sind das einzige deutsche Team, zwei Teams kommen aus England, die übrigen aus Holland. Mit nur zwei Leuten sind wir das kleinste Team und auch das einzige ohne Pilotenwechsel.

Alle Teams bekommen T-Shirts, Caps, Aufkleber und eine Unmenge an Unterlagen und Informationen. Es ist alles super organisiert (Telefonnummern von Flugplätzen, Auszüge aus dem Bottlang mit Beschreibung der Luftraumstrukturen).

 
Werner


Doch dann die erschreckende Information: Es wird ohne Handicap-Faktor geflogen. Also bin ich mit der ASW19 (Clubklasse) mit Flugzeugen wie Ventus2 (Rennklasse) oder Duo-Discus (offene Klasse) gleichgestellt, wer zuerst am Ziel ankommt, gewinnt. Außerdem kann ich kein Wasser tanken.

Es gibt nur ein schlechteres (Twin2) und ein etwas besseres Flugzeug (DG300). Die übrigen erscheinen unerreichbar. Der einzige Vorteil: Das Flugzeug mit dem schlechteren Faktor darf zuerst starten. Aber egal mein Ziel war von Anfang an nur der Spaß an der Sache und nach Möglichkeit die Erfüllung der Aufgabe.

Da auf dem Flugplatz (Militärgelände) nicht campiert werden darf, sind wir in einem großzügigen und ansprechenden 2-Bett-Zimmer in der Kaserne untergebracht worden.
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Tag 1: Es geht los!!!
Am nächsten Morgen bekamen wir dann ein erstklassiges Frühstück mit allem Drum und dran. Die Wettervorhersage hört sich durchschnittlich an, aus Frankreich liegen keine Wetterinformationen vor. Ich erwarte etwa 300km Flugstrecke, das hieße bis zum Anfang von Frankreich.

Ich darf aufgrund meines Handicap-Faktors gleich als zweiter starten und verlasse bald die Kontrollzone von Eindhoven.

Um nicht mit der Kontrollzone Geilenkirchen zu kollidieren, halte ich mich weit östlich an riesigen Abbau-Gruben vorbei.



Auf Kurs bilden sich Ausbreitungen, dies war sicherlich auch thermisch eine gute Wahl. Da für den gesamten belgischen Luftraum eine Höhenbeschränkung von 4500ft MSL besteht, wähle ich sie südlichere Route durch Luxemburg.
 
Stadt Eindhoven


Dort melde ich mich in der TMA bei der Flugverkehrskontrollstelle. Das BZF1 ist schon sehr sinnvoll! Ich gebe mehrere Positionsmeldungen und Flughöhen ab. Ein Airliner wird unter mir durchgeschickt, ein doch recht ungewöhnliches Bild für einen Segelflieger.

Werner fährt direkt nach Frankreich, über Funk kann ich ihn schon bald nicht mehr erreichen. Das Wetter entwickelt sich wesentlich besser, als erwartet, wie kann ich Werner informieren? Mein Handy hat hier oben (bis 2500m) keinen Empfang.

Also schreibe ich schnell eine SMS "Komme bis etwa 200km vor die französische Wende" und fliege, auch wenn es weh tut, durch mehrere gute Bärte stumpf hindurch. In 500m Höhe (man gut, dass das Gelände hier so tief liegt) kann ich die SMS dann absetzen.

Das Wetter wird immer besser, um kurz vor 19Uhr ziehe ich über dem Flugplatz Montargis (ca. 100km vor der Wende) die Klappen, da ich allmählich Mitleid mit meinem Rückholer bekomme. Es hätte vielleicht bis kurz vor die Wende gereicht.



Montargis
Ein Motorsegler ist bereits gelandet. Insgesamt liegen 530km mit leichtem Rückenwind hinter mir. Schnell benachrichtigen wir unsere Rückholer, danach bekommen wir in der Kantine Bierdosen aus dem Automaten. Da ich kein Kleingeld habe, schmeißt ein Franzose eine Münze für mich ein, damit hatte ich nicht gerechnet.

Nach und nach landen insgesamt 9 Wettbewerbsteilnehmer auf dem Platz. Sie fahren alle mit einem Taxi zur nächsten Gaststätte (ca. 10km entfernt), ich warte auf meinen Rückholer und genieße den Sonneuntergang.



Zu späterer Stunde, nachdem ich mit etwas Mühe einen Stromanschluß fürs Wohnmobil organisiert habe, bieten mir die letzten zwei auf dem Flugplatz verbliebenen Franzosen Whisky und Käse an. Kurz vor Mitternacht kommt Werner dann an. Schnell etwas aus dem Kühlschrank reingestopft und ab ins Bett!
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Tag 2: Frankreich im Gegenwind
Mit unvorstellbar guter Laune bewegt uns Werner nach der Kurzen Nacht schon um halb Sieben zum Aufstehen.



Gut gefrühstückt geht es dann ans Werk: Sachen Packen, Flugzeug vorbereiten etc. Am Horizont ist in Kursrichtung ein Kraftwerk zu sehen, außer dem Kühlturm-Dampf ist die Wolkenbildung jedoch nur mäßig. Von den anderen Teilnehmern erfahre ich, daß die Gegend bis zur Wende eher mäßig einzustufen ist.

Um zwölf Uhr starte ich dann hinter einer Morane bei leichter Cu-Bildung in Montargis. Mit Rückenwind geht es zügig zur Wende. Ca. 10km vor der Wende bekomme ich dann den letzten Bart vor Erfüllung dieses Schenkels.


Blick uber Romorantin auf die Wende


Bis zur nächsten Wende liegen nur 531km bei 15-20km/h Gegenwind vor mir.
 
Das sind völlig neue Dimensionen, sonst scheue ich mich bereits bei 150km-Schenkeln, diese gegen den Wind zu legen. Da die Schenkel sich in Romorantin im spitzen Winkel treffen, kann ich ohne großen Umweg zu meinem letzten Aufwind zurückfliegen und dabei den weiteren Flugweg planen: südlich vom Kurs ist alles blau, daher halte ich mich leicht nördlich und fliege so zum Kraftwerk zurück. Auch dieses mal komme ich ohne die Kühlturm-Thermik aus, muß jedoch von hier aus im Blauen weiterfliegen.


Endlose Weite- alles gehört mir


Die Dunstkuppenbildung im Blauen ist so kurzlebig, daß die Thermiksuche sich auf Bodenmerkmale stützt. Ich habe nun wieder Funkkontakt zu meinem Rückholer und kann ihm mitteilen, daß ich voraussichtlich bis kurz vor Nancy kommen werde, wenn alles so weiterläuft.

In der Gegend von Nancy hatten wir uns vor dem Start schon einige Flugplätze ausgesucht. In der Nähe eines großen Sees habe ich dann stark zu kämpfen.

Bei der Hitze erscheint dann für die Wahl des Landefeldes die Nähe zum Wasser wichtiger, als die Nähe zur Hauptstraße. Aber immer wenn Du denkst es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Aufwind her... Kurz vor Nancy ist am Horizont wieder leichte Wolkenbildung erkennbar.

Der Endanflugrechner bescheinigt die Erreichbarkeit des Flugplatzes hinter Nancy aber die Thermik ist noch nicht komplett eingeschlafen. Daher nehme ich wieder Kontakt zu Werner auf und schildere ihm die Aussichten. In fast 2000m gleite ich bei absolut ruhiger Luft über Nancy hinweg und genieße die fantastische Aussicht auf die wunderschöne Stadt.

Dabei kann ich mir schon Werners Route durch die Stadt genau anschauen. 131km vor der Wende suche ich über einem Waldstück auf einer Anhöhe kurz vor 20Uhr die letzte Abendthermik. Sie ist jedoch zu schwach, um mir eine Chance gegen den Wind zu geben. Daher lande ich hier direkt neben einer Straße auf einer schrägen Wiese.

Trotz des Gegenwindes sind es wieder über 500km geworden. Sofort verständige ich Werner, der bereits kurz vor Nancy ist. Ein paar Minuten später kommt eine junge Französin zu mir, wie sich herausstellt auch Segelfliegerin. Sie ist gerade auf dem Weg von der Uni in Nancy zu ihrem Flugplatz Sarreguemines nahe der deutschen Grenze. Daher kann sie mir auch hervorragend weiterhelfen bei der Wahl des nächsten Flugplatzes in max. 100km Entfernung.

Sie bietet mir an, die Zufahrt zu ihrem Flugplatz für uns zu öffnen und einen Stromanschluß und einen Schlepp-Piloten für den nächsten Morgen zu organisieren. Ich wähle jedoch Pirmasens in Deutschland, um auf dem Gegenwindschenkel möglichst viele Kilometer mit dem Auto zurückzulegen.
Daher ruft sie Ihren Vater an, der aus dem Internet die Telefonnummer des Flugplatzes besorgt. Leider meldet sich dort niemand, die Französin versichert mir jedoch, daß dort auch in der Woche stets Flugbetrieb stattfindet.

Werner hat arge Schwierigkeiten, sich durch Nancy zu wühlen, bis ein Franzose sein Auto holt und vor Ihm herfährt. Beim Sonnenuntergang rüsten wir das Flugzeug ab und fahren in Richtung Pirmasens (81km Luftlinie). Da wir auf der Suche nach dem Flugplatz bereits verzweifeln und um Mitternacht niemand zu finden ist, den man fragen könnte, stellen wir uns in einen Feldweg zum Übernachten.



Bei einem Schluck Rotwein vor dem Schlafengehen fällt mir eine andere Straßenkarte in die Hand, in der der Flugplatz an einer anderen Stelle eingezeichnet ist. Weiter geht die zunächst erfolglose Suche in der hügeligen Gegend. Von einem für uns eigentlich gesperrten Weg aus entdecke ich in der Ferne im Mondschein eine Halle. Das muß es sein! um ein Uhr morgens erreichen wir den leeren Flugplatz.

Da nirgends eine Steckdose zu finden ist, lade ich die Flugzeugbatterien über den 12->230V-Wandler. Dies soll dann die einzige Nacht werden, die wir ohne andere Wettbewerbsteilnehmer verbringen.
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Tag 3 Der Hammertag
Werners unbändige gute Laune beendet die Nacht wieder um halb sieben. Vor dem Frühstück gehe ich über den Platz zu ein paar Leuten, die ein Tanklager bauen. Mir wird versichert, daß bis zehn Uhr jemand zum Schleppen da ist, anderenfalls soll ich mich wieder melden, dann wird kurzfristig jemand organisiert.

So können wir dann in aller Ruhe frühstücken. Beim Aufrüsten treffen dann die ersten Mitglieder des Vereins ein. Und so kann mir dann auch schnell weitergeholfen werden, als mir auffällt, daß der Verbindungsbolzen des Bremsbowdenzuges sich gelöst hat.

Das Wetter scheint schwieriger zu werden: Von Südwesten her fließt Warmluft ein. Von den ortskundigen Piloten erfahre ich, daß die Warmluft zuerst in das breite Tal an der nächsten Wende (Lachen-Speyerdorf) fließt und bis nach Karlsruhe hinunter dir Thermik zerstört.

So machen wir uns für Werners Route Gedanken: Er fährt direkt nach Karlsruhe und wartet auf meine Nachricht. Zwar ist die Warmluft an der dichten Cirrus-Bewölkung deutlich erkennbar, nach dem Start um elf Uhr ist davon jedoch noch nicht viel zu merken.

 
Bei guten Steigwerten taste ich mich in das unendlich groß erscheinende Waldgebiet vor und achte darauf, immer sicher herausgleiten zu können.



Wie angekündigt, verschwindet die Thermik bei Erreichen des Tales vollständig. Lediglich über dem Waldgebiet hinter der Wende sind kleine Cu-Fetzen zu erkennen. Vorsichtig gleite ich mit MC Cready-Einstellung 0m/s zur Wende und nutze zusammen mit einigen anderen Teilnehmern, die kurz vor meiner Ankunft in Lachen gestartet sind, die Thermik aus dem Waldstück.

Von hier aus gleite ich direkt zum Kraftwerk bei Karlsruhe und nutze die extrem enge und stark zerrissene Thermik. Das Vario geht von Anschlag zu Anschlag und auch bei 60° Querneigung wird man von einer Sekunde auf die andere in die entgegengesetzte Kurvenrichtung geworden.

Alle gleichzeitig in diesem Bart kreisenden Flugzeuge halten einen großen Sicherheitsabstand zueinander. Während ich mich hier recht weit "hinaufmühe" gleiten die mit Wasser vollgepumpten Standard- u. Rennklasseflugzeuge weiter, wie frustrierend!
Meine neuen Sandalen, die ich Trage bereiten mir mit ihren Erhebungen unter den Fußballen starke schmerzen. Aufgrund meiner wesentlich schlechteren Gleitzahl halte ich mich weit östlich des Kurses, um den rettenden Schwarzwald eher zu erreichen.

Hier geht es dann anfangs sehr mühsam aber stetig besser werdend weiter. Daher kann ich Werner auf die Autobahn in Richtung Regensburg schicken. Je näher ich an den Wendepunkt Klippeneck komme, um so höher wird das Bergland.


Um Klippeneck zu umrunden, muß ich vor der Wende noch etwas Höhe tanken. Über dem Platz komme ich dann in Platzrundenhöhe an, es wird thermisch wieder schwieriger. So muß ich mich dann auch wenige Kilometer weiter zwischen den Bergen wieder "rauskurbeln". Die Gegend wird dann aber schnell wieder flacher und die Thermik wesentlich besser.

Zügig geht es weiter in Richtung Cham-Janahof an Augsburg, Ingolstadt und Regensburg vorbei.



Noch habe ich Funk-Kontakt zu Werner und berichte ihm, daß ich voraussichtlich die Wende erreichen werde. Die Thermik läßt allmählich nach, die angeflogenen Wolken lösen sich bei Ankunft auf. Nördlich des Kurses sieht es noch etwas feuchter aus.

Die Schmerzen in den Füßen werden immer stärker, ich habe in beiden kleinen Zehen bereits ein taubes Gefühl. In nur 400m MSL erreiche ich den Wendepunkt und bekomme dort wider Erwarten noch etwas Abendthermik.



So schraube ich mich mit einem dreiviertel Meter hoch und fliege in Richtung Bayreuth.
Schon nach wenigen Bärten erreiche ich wieder Wolkenthermik und kann Werner informieren, daß ich mindestens bis Bayreuth komme.


Der war nun leider schon recht weit in Richtung Cham gefahren. Nach 8h40' lande ich in Kulmbach auf dem Flugplatz , wo bereits zwei unserer Motorsegler gelandet sind. Später gesellt sich noch ein dritter hinzu.

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Sofort ziehe ich die Sandalen aus, ich kann kaum noch laufen. Von hier aus ist die Wasserkuppe etwas über 100km entfernt, daher kommt eine Weiterfahrt dorthin nicht in Frage. Die übrigen Plätze in Kursrichtung sind nicht aktiv bzw. die Schleppmaschine ist nicht einsatzbereit. Auf dem Flugplatz bei Erfurt wird mir gesagt, daß Segelflugzeugschlepp nicht möglich sei und Segelflieger ohnehin nur alles durcheinander bringen?!

Trotz des Umweges kommt Werner nur 1h später beim Sonnenuntergang an



Bei Grillfleisch und einem Glas Bier genießen wir den schönen Sommerabend

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Trotz anfangs schlechter Bedingungen liegen heute fast 630 geflogene Kilometer bei meist ca. 10km/h Gegenwind hinter mir.
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Tag 4 Total verbockt
Zum Frühstück zapft Werner sich noch ein Glas Bier aus dem abgestandenen, lauwarmen Partyfäßchen. Sein Blick verrät allerdings, wie es geschmeckt hat.



Da am Flugplatz kein Wetter zu bekommen ist, rufe ich Uwe auf der Arbeit an, der gibt mir zunächst die Plazierung an (die täglich unter www.euroglide.nl aktualisiert wird). Das Gesamtergebnis überrascht mich extrem: nach fast 1750km liege ich in meiner Klasse auf dem 2. Platz, der führende hat nur 30km Vorsprung.

Das Wetter wird fliegbar, aber schnell schlechter. Ich sauge noch ein letztes Mal vom Boden aus die wundervolle Hügellandschaft in mich auf bevor ich kraftvoll von einer Remoquer emporgerissen werde. Es ist sehr windig und nach dem Start muß ich feststellen, daß die meisten Wolken nur Wassersäcke sind.



Langsam kämpfe ich mich in den Thüringer Wald vor, ein fataler Fehler: Der Abstand der Gipfel zur Basis ist bei der zerrissenen Thermik nicht ausreichend und die schmalen Täler sind nicht landbar.
 
Der Versuch, wieder herauszugleiten mißlingt: Die Sicherheitshöhe über der letzten Kuppe des Thüringer Waldes hätte nur ca. 50m betragen. Es liegt zwar eine große Wiese auf der gesamten Kuppe, am Ende müßte ich jedoch eine Stromleitung überfliegen. Sicherheit geht vor und so ist mein Ergebnis nicht berauschend.


Mit einer Straßenkarte in der Hand gehe ich zum nächsten Haus. Eine alte Frau macht auf "Sie wünschen?". "Ich bin dort drüben mit einem Segelflugzeug gelandet und wüßte gerne wo ich bin". "Das weiß ich nicht!". "Wie heißt denn der nächste größere Ort?" "Das weiß ich nicht!". "Nicht so schlimm. Ich frage mal nebenan". "Das brauchen sie nicht, da sind nur auszubildende!". Egal, ich gehe einfach weg, da ruft sie mir hinterher: "Was wollten Sie denn eigentlich?". "Ich wollte nur wissen, wo ich hier bin!". "Das weiß ich nicht!".

Ein paar Häuser weiter macht ein Mädchen (etwa 16 Jahre alt) auf. Ich wiederhole mein Anliegen, und zeige ihr die Straßenkarte. "Keine Ahnung!" bekomme ich zur Antwort. "Wie heißt denn der nächste größere Ort?" "Keine Ahnung!".

Na ja, irgendwie erfahre ich dann doch noch, daß ich in Schnett bei Masserberg bin. Werner ist leider in die entgegengesetzte Richtung gefahren, um zur Autobahn zu kommen. Er muß also die Strecke zurück um dann auf kleinen Straßen zu mir zu gelangen. Inzwischen habe ich erfahren, daß ich auf dem Startplatz einer ehemaligen Reichs-Segelflugschule gelandet bin.

Ein Surfer erzählt mir begeistert, daß für den nächsten Tag bis zu 70km/h Wind an der Küste angesagt sind. Na toll!!! Da die Wasserkuppe nur 60km entfern ist, fahren wir direkt dort hin. Für den Start auf der Wasserkuppe (dem Berg der Segelflieger) bekomme ich 50 Bonus-Kilometer auf dem Rückhol-Konto gutgeschrieben.
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Tag 5 Kampf gegen den Wind
Da die Werners gute Laune unseren Schlaf wie gewohnt vor sieben besiegt hat, sinkt meine Laune auch schon so früh am Morgen: Die geschlossene Wolkendecke liegt nahezu auf und es ist saukalt!

Die Wettervorhersage läßt nicht viel erwarten: uns kommt eine Front mit stark ansteigenden Windgeschwindigkeiten entgegen. Die Wolkendecke lockert allmählich auf und als die Basis auf 300m angestiegen ist, lasse ich mich über die Wolken schleppen. Der Gegenwind beträgt gut 30km/h.

Ich gleite unter die Wolken und kämpfe mich mühsam unter schlechten Wolkenstraßen vor. In Fulda suche ich mir einen Landeacker, aber es geht weiter. Die Windgeschwindigkeit steigt immer weiter an und beträgt ca. 10km vor Warburg fast 55km/h. Wie ein Hubschrauber lande ich auf dem Segelflugplatz Warburg, direkt nach dem Aufsetzen fallen auch schon die ersten Regentropfen.

Werner ist kurz danach vor Ort. Bei sintflutartigen Regenfällen fahren wir durch die Front nach Oerlinghausen, wo wir vom Flugplatzleiter herzlich aufgenommen werden.

Hier ist es vollständig bewölkt mit kurzen aufgerissenen Abschnitten. Mein Ziel: noch die Mindeststrecke (30km) fliegen, um eine weitere Rückholstrecke fahren zu dürfen. Der Flugplatzleiter organisiert mir um 18h einen Schlepp-Piloten. Ein Segelflieger, den ich in Lünen anrufe, erzählt mir jedoch, daß von dort eine weitere starke Schauerfront folgt.
 
Also rufe ich einen Arbeitskollegen an, der nur wenige Kilometer entfernt wohnt und wir grillen (der Grill steht im Regen unter dem Klapptisch).


Mittlerweile sind drei weitere Segelflugzeuge von Euroglide eingetroffen. Einer ist am 3. Wertungstag vom Flugplatz Sarreguemines gestartet, wo er die Französin getroffen hat, die mir damals geholfen hatte. Dort hat er erfahren, wo ich liege. SM hat das Ziel erreicht, sonst liegt niemand aus der Segelflugklasse vor uns.
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Tag 6 Taktik
Nach einer schönen Dusche erscheint das schlechte Wetter leider auch nicht besser. Gegen Mittag gibt es einige Auflockerungen. Im Satellitenbild ist erkennbar: Heute oder nie, das nächste Frontensystem ist im Anmarsch. Bis zum Ziel (Venlo) sind noch 180km zu bewältigen, d.h. 80km fliegen, den Rest fahren.

Wir suchen uns geeignete Landeplätze aus und studieren genauestens die Fahrtrouten, da der Ankunftszeitpunkt des Flugzeugs (egal, ob fliegend oder im Anhänger) für die Wertung ausschlaggebend ist. Inzwischen beginnt Schulbetrieb an einer Seilwinde. Um Zeit zu sparen, bevorzuge ich, an der Winde zu starten.

Ich frage den hauptamtlichen Fluglehrer nach der Segelflugwetter-Vorhersage, werde aber belehrt, daß ich mich darum selber zu kümmern habe und die entsprechenden Paragraphen für die Flugvorbereitung werden mir vorgebetet. Na ja, er scheint wohl mit dem falschen Fuß aufgestanden zu sein.

Als er mir auf Nachfrage mitteilt, daß man sich am Hang (eigentlich eher Hängchen) halten kann, mache ich einen fatalen Fehler: Ich frage ihn, ob der Hang durchgehend trägt. Zur Antwort bekomme ich, daß selbst Nichtflieger wissen, daß ein Hang nur bei geschlossener Wolkendecke trägt. Und außerdem ist bei dieser Windrichtung..... Werner und ich schauen uns nur an und wir drehen uns ohne ein Wort zu sagen um und gehen.

Der Flugplatzleiter organisiert uns einen sehr hilfsbereiten Schlepp-Piloten und wir bauen den Startbetrieb auf. Nach dem Ausklinken in knapp 5km Entfernung in Kursrichtung in 600m GND führt mein Flugweg an einem heftigen Schauer vorbei. Da ich solches Wetter schon gewohnt bin, lasse ich mich davon nicht beeindrucken und probiere in Schauernähe die Aufwinde in der Böenwalze zu nutzen.
 
Daß 80km für mich sicher nicht möglich sind, ist mir klar. Also ist mein Ziel: 30km für die Mindeststrecke müssen erreicht werden, um wieder eine Rückholstrecke fahren zu dürfen (mein Bonuskonto ist ja noch voll genug). Ich habe jedoch nicht beachtet, daß die Schauer-Wolke am Rand starke Ausbreitungstendenzen hat und so bin ich statt in die Böenwalze in leichten Regen geraten.

Der Logger steht noch auf Oerlinghausen, um die geflogene Strecke permanent vor Augen zu haben. Das Ziel interessiert mich derzeit nicht so sehr. Meine Flucht in die Sonne erfolgt zu spät und so kann ich nur probieren, optimal zu gleiten. Ich taste mich von Acker zu Acker vor und vergesse dabei nicht die Mindesthöhe für einen gescheiten Anflug.

Im Anflug auf einen Acker mit sehr jungem Mais wird mir klar: 30km werden es wohl nicht, dafür hätte ich einen Acker weiter gemußt. Meine Entscheidung ist aber klar: Lieber 5 Minuten feige, als ein Leben lang tot! Nach dem Aufsetzen kommt dann der Frust: Entfernung bis Oerlinghausen: 29,7km!!!

Also: Werner anrufen, abrüsten und zurück nach Oerlinghausen.

Inzwischen wurde dort der Schulbetrieb an der Winde eingestellt, dafür hat der Gütersloher Verein Windenbetrieb aufgebaut. Ich werde dort sehr nett aufgenommen und darf auch gleich nach dem Aufrüsten starten. Bei extrem zerrissener Thermik kämpfe ich mich bei geringem Höhengewinn allmählich voran, jedoch schon vor Gütersloh erwartet mich die nächste Abschirmung. Im gestreckten Galopp würde es wieder nicht für 30km reichen aber ich habe keine andere Wahl. Ich probiere in der Abschirmung irgendwelche Konturen zu erkennen und gleite mit vermindertem Sinken von Oerlinghausen weg.


Als ich die Abschirmung passiert habe, bin ich jedoch zu tief, um nutzbare Thermik zu finden. Wieder kann ich das Maisfeld erkennen, bin aber etwas höher und halte mich weiter rechts. Sicher lande ich auf einer kleinen Wiese neben einem Bauernhof. Der Logger bescheinigt mir 30,8km. Super!!!

Schon kurze Zeit später ist Werner da. In Windeseile rüsten wir ab und weiter geht’s. In direktem Zielkurs auf der Autobahn bei Tempo 120 sitze ich hinten im Wohnmobil am Tisch und suche in der Karte nach 100km entfernten Flugplätzen. Dinslaken Schwarze Heide liegt ideal. Schnell rechne ich meinen Kredit noch einmal nach. Es reicht für einen Schlepp auf 1600m und weitere ca. 20km Rückholstrecke. Das muß passen.

Um 18h rufe ich dort auf dem Turm an, um mir einen F-Schlepp um ca. 20h zu erbitten. Jedoch kann man mir von hier aus nicht weiterhelfen. Auf gut Glück fahren wir weiter und kommen kurz nach halb acht dort an. Ein Segelflieger ist sehr hilfreich bei der Suche nach einem F-Schlepp-Piloten. Der letzte Schlepp-Pilot will gerade den Flugplatz verlassen und ist sehr in Eile, führt den Schlepp aber dennoch aus.
Nach nur 10min steht das Flugzeug startbereit und abgeklebt am Ende der Piste. Schnell werden letzte Absprachen getroffen: 1600m Höhe, 5km in Richtung Westen. Ein merkwürdiges Wetter erwartet mich: Es wird zunehmend dunstiger, der Wind läßt stark nach, Wolken sind nicht mehr erkennbar. Um 20h starten wir, der Schlepp mit nur 1,2m/s Steigen ist sehr mühsam. Aufgrund des Dunstes habe ich Probleme, den Horizont im Schlepp zu halten. Zum Glück ist die Luft absolut ruhig.

Nach dem Ausklinken gleite ich mit Sollfahrt nach MC Cready 0m/s in Richtung Venlo, den Endanflugrechner habe ich aufgrund des leichten Gegenwindes auf MC 2,5m/s gestellt (bei den großen Kreisen im Schlepp konnte der Rechner den Wind nicht ermitteln). Nach 500m Höhenverlust ein Vergleich: Die Einstellung des Rechners paßt hundertprozentig. Um 21Uhr lande ich 12km vor Venlo auf dem Acker


Geschafft!!!


Das war nun die dritte Außenlandung an einem Tag. Dementsprechend fix und fertig waren wir nach dem Abrüsten. Da wir den Flugplatz Venlo zunächst nicht fanden, sind wir dann erst gegen 23Uhr dort eingetroffen. Wir wurden herzlich begrüßt und sogar noch lecker bekocht.

Um 1Uhr nachts haben wir dann Venlo verlassen und sind um 4Uhr am Morgen zu Hause angekommen. Nach dem Ausschlafen bin ich dann zum Flugplatz gefahren. Werner war natürlich schon am Vormittag dort, er ist einfach nicht totzukriegen!

Winfried Küter
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Werner und Winfried startbereit auf Eindhoven
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